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„Barfuß kriegt man eine gewischt”

Sonderausstellung im Eisenbahnmuseum Schwarzwald auf dem Gelände der H.A.U. in Schramberg

| Martin Himmelheber (him) - 23. Juli 2016

SCHRAMBERG (him) – Modell-Eisenbahnen, die mit 220 Volt betrieben werden? Das gab es einmal und war wider Erwarten so gefährlich auch wieder nicht. Eine Sonderausstellung im Schwarzwälder ermöglicht „einen einzigartigen Einblick in die Technik und Funktion dieser historischen Lehr-Spielzeuge“, so die Veranstalter.
Bei der Ausstellungseröffnung am Freitagabend hob Oberbürgermeister Thomas Herzog hervor, dass es sich beim Modelleisenbahnbauen um ein anspruchsvolles Hobby handle, bei dem die Phantasie und die Technik eine wesentliche Rolle spielten. Ob denn die Modellbahnen aus der Frühzeit nun gefährlich seien oder nicht „darüber streiten sich die Geister“, so Herzog. Er könne es nicht beurteilen, denn er habe nicht Physik studiert. Jedenfalls gäbe es keine Überlieferungen über tödliche Unfälle.

Er dankte den Ausstellungsmachern vom Museum und insbesondere dem Leihgeber, Dr. Reinhard Woltmann aus Freiburg, der eine „einzigartige Sammlung” mit „Starkstrom-Modellen“ habe und es werde „allerhöchste Eisenbahn“, das dieser nun seine Sammlung vorstelle, wortspielte Herzog.



Der Kreis der Sammler sei recht klein, so Woltmann, die ihre Loks auch tatsächlich wieder zum Fahren bringen. So sei der Kontakt zum Museum und dessen Leiter Michael Herberger über einen gemeinsamen Bekannten zustande gekommen. Die Ausstellung sei für ihn die Gelegenheit, einen Teil seiner Sammlung der Öffentlichkeit vorzustellen. Seit dem Frühjahr habe man am Konzept getüftelt. Er selbst interessiere sich seit 1982 für die Starkstrom-Eisenbahnen, wobei man um 1910 unter Starkstrom alle Spannungen von 110 bis 220 Volt verstanden habe.

Tatsächlich so hohe Spannung liege an den Gleisen aber nur an, wenn kein Zug darauf fahre. Dann reduziere sich die Spannung durch die Zug-eigenen Widerstände – Motor und Glühlampen – auf etwa 60 Volt. „Wenn man da barfuß drauf steht, kriegt man eine gewischt“, beruhigte Woltmann. Das sei zwar unangenehm, aber nicht gefährlich. „Bei achtsamer Handhabung war der Spass handhabbar.“ Nach und nach setzte sich aber doch durch, dass ein Kinderspielzeug sicherer sein sollte, und Ende der 20er Jahre wurde der Verkauf der Starkstrombahnen verboten.



Zwei Hersteller dominierten im frühen 20. Jahrhundert die Szene Bing und Märklin, und von diesen beiden Herstellern stammen die meisten Modelle auch. Liebevoll in Szene gesetzt mit Bahnwärterhäuschen, Tunnels und Bahnhöfen aus Blech. Teilweise wurden die Modelle aus Blech handbemalt, später auch bedruckt. Dabei hätten die Modellbauer „mit künstlerischem Blick das Wesentliche eingefangen“, wie Woltmann bemerkte.

Zur Technik erläuterte er, dass damals maßstabsgetreu kleine Glühbirnen noch nicht auf dem Markt waren, die Motoren seien auch „recht grob, aber stabil und durabel gebaut“. In der Ausstellung sind in zwei Vitrinen die Modelle zu sehen. Auf Wanddarstellungen finden sich Katalogabbildungen und Funktionsdarstellungen.

In einer Vitrine „fährt“ eine Lok auf der Stelle, sobald der Strom – tatsächlich 220 Volt – eingeschaltet wird. Und in der Hauptausstellung haben die Museumsleute eine Strecke für einen solchen Starkstromzug eingerichtet. Über acht Jahrzehnte sei dieser Zug nie gefahren, erzählt Sammler Woltmann stolz: „Der ging bei mir auf Jungfernfahrt.” Eine Glühbirne mit Fassung hatte gefehlt, und da die Elektrik in Reihe geschaltet ist, konnte der Zug ohne diese Lampe nicht fahren.



Info: Die Sonderausstellung dauert bis 31. Januar 2017 im Eisenbahnmuseum Schwarzwald auf dem Gelände der H.A.U. in Schramberg.

Quelle: https://www.nrwz.de/news/barfuss-kriegt-man-eine-gewischt/121284